Invasion der Büffel


Ich habe mich an Gürteltiere gewöhnt, an Pacas (kleine Wildschweine) und selbst an Vipern und Pumas. Die Besucher von heute haben mich jedoch nervös gemacht. Plötzlich stand ein Dutzend schwarzgrauer Büffel vor mir und den Hunden. Schäferhündin Hanna war genauso verdutzt wie ich. Zum Glück wusste sie nicht recht, ob sie angreifen oder einen Rückzieher machen soll. Dank ihrer Denkpause konnte ich sie am Kravattl packen, bevor sie sich für einen Angriff entschieden hat.

Was machen diese Riesenhufer hier im Regenwald? Und vor allem, woher kommen sie? Nach einem Bad in Nachbars Fischteich, haben sie das Anwesen des nächsten Nachbarns gestürmt. Dann kamen wir an die Reihe.  Da waren Hanna und Luma schon sicher in ihrem Zwinger verwahrt. Die Katzen nicht. Mit riesigen Sätzen und weit aufgerissenen Augen sind sie vor den Hufen der riesigen Tiere Richtung Haus geflohen. Da saßen sie auf der Veranda, die Blicke auf die Büffel gerichtet, und ich mitten unter den Katzen.

Mir sind diverse Erlebnisse mit Kühen bei Bestandsaufnahmen zu Umweltstudien und auch bei Almwanderungen noch lebhaft in Erinnerung. Auch wenn ich ihnen immer freundlich begegnet bin, haben sie oft weniger freundlich auf mich reagiert. Ein paar Mal musste ich flüchten. Einmal habe ich mir dabei Jacke, Hose und Bein am Stachelzaun aufgerissen.

Und jetzt? Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich machen soll. Ich könnte ja schreien. In mir aufsteigende Bilder von alles zertrampelnden Büffelherden auf den Savannen Nordamerikas halten mich davon zurück.

Vorsichtshalber nehme ich den an der Tür angelehnten Bambusstecken in die Hand. Frau weiß ja nie. Dann gehe ich Hirtenmadlähnlich langsam auf die Büffeltiere zu, die immer weiter bei uns Eindringen, in Richtung Haus stapfen.

Warum mache ich das? Ich denke nicht, hebe den Stock und kommandiere "Husch, Husch. Macht, dass ihr hier wegkommt". Sie schauen die mit dem Stecken fuchtelnde und in der seltsamen Sprache sprechende Frau träge an. Dann verstehen sie. "Husch, Husch" scheint ein Wort aus der Universalsprache zu sein. Sie zuckeln tatsächlich von dannen - in die falsche Richtung.

Sie machen sich auf den Weg zur asphaltierten Staatstraße. Noch einmal greife ich zum Telefon, rufe bei der Militärpolizei an. "Da können wir doch nichts machen, Senhora. Wir sind doch die Militärpolizei", sagt der freundliche Mann am anderen Ende der Leitung. Das gleiche hat er auch schon bei meinem ersten Anruf gesagt, nachdem mich die Umweltpolizei (Polícia Florestal) aufgeklärt hatte, dass ich doch den Besitzer anrufen sollte. Wenn ich wüsste, wem die Tiere gehören, hätte ich das schon längst getan. "Na, dann rufen sie doch beim Umweltsekretariat der Gemeinde an oder bei der PM, der Polícia Militar", so der Herr von der Umweltpolizei.

Bei meinem zweiten Anruf bei der PM beharre ich. "Es wird gefährlich", sage ich. Ich will mir gar nicht ausdenken, was passiert, wenn auf der kurvigen Staatstraße ein Motorradfahrer in die Büffelherde knallt. Irgendwann gibt der Polizist auf. Da höre ich es schon von weither hupen. Das Dutzend hat die Staatsstraße erreicht. "Ich werde sehen, was wir machen können", sagt der Polizist.

Ich lege auf und laufe zur asphaltierten Straße vor. Die Herde ist nicht mehr zu sehen. Nur ihre Spuren, die sind auf dem Asphalt erkennbar. Sie marschieren in Richtung Rio do Nunes, ein beliebter Badeplatz an einem unweit gelegenen Bergbach. Wer weiß, vielleicht treffen sie ja dort auf Polizisten.

Warum es hier Büffel gibt
Vor 30 Jahren haben sie versucht, an der nördlichen Küste von Paraná Büffel zu etablieren. Der Fleischmarkt und die Aussicht auf gutes Geld waren die Triebfedern. Rentiert hat es sich in unserer Region nicht wirklich. Dann kam auch die APA, eine Art Landschaftsschutzgebiet. In dem sollten Büffel nichts zu suchen haben. Einzelne Tiere werden in unserem Munizip dennoch weiter gehalten. Von Herden war mir bisher aber nichts bekannt.

Auch unser Sítio war einst eine Büffelweide. Bis sie alles soweit zertrampelt hatten, dass nichts mehr wuchs und selbst nahrhaftes Gras ausblieb. Die damaligen Besitzer, zwei Agronomen, haben aufgegeben und ihr Anwesen stückweise verkauft. Das ist knapp 30 Jahre her. Die ehemaligen Weiden blieben sich selbst überlassen.

An den Hanglagen hat sich nach und nach der Atlantische Regenwald wieder ausgebreitet. Anders als auf der Nordhalbkugel dauert es nur wenige Jahre, bis eine Fläche wieder mit 15 Meter oder noch höheren Bäumen bestanden ist. Nicht so dort, wo die Büffel hausten. Vor allem in den feuchteren Niederungen hatten es die Bäume schwer, wieder Fuß zu fassen.

Dort sind die Spuren der tonnenschweren Büffel auf unserem Grundstückes immer noch vorhanden: Extrem verdichteter Boden, Kuhlen und Trittwege. Ein zerstörter Boden. Beim Pflanzen von Bäumen heben wir große Gruben aus, bestücken sie mit neuer Erde und Kompost und hoffen, dass die Wurzeln es schaffen werden, sich den Boden zurückzuerobern. Schön langsam wird es, wächst nach drei Jahrzehnten auch der Niederungsbereich langsam wieder mit Wald zu.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Stachelpalme mit Frucht

Endlich, mein Stachelbaum:

Regentagblues

Invasion beim Nachbarn

Mitten im Winter wird es Sommer