Bunter Mais im Regenwald

Bunter Mais - "milho crioula" - alte Sorten, die wir jetzt im
Wald anbauen werden.


Der ist nicht anspruchsvoll, schmeckt aber gut, sagt sie. Sie, das ist Rosi. Wie viele andere auch, ist sie aus der Umgebung Curitibas angereist, um beim Fest der "Sementes crioulas" in Quatro Barras Samen zu tauschen oder zu verschenken. Rosi hält mir einen wunderschönen Maiskolben entgegen, mit violettfarbenen Deckblättern und roten Körnern. Ich frage sie, ob ich ihn ihr abkaufen darf, weil ich nichts zum Tauschen dabei habe. Nein, sagt sie. Sie verkauft nicht. Sie tauscht nur oder verschenkt. Nimm, bau ihn an und wenn du Kolben übrig hast, verschenk sie, fügt sie hinzu.

Weil ich zögere, wedelt die hagere Frau mit den weißen Haaren ungeduldig mit dem Maiskolben. Dann drückt sie ihn mir in die Hand und greift zu kleinen rot-weißen Bohnen. "Olho de Pombo". Taubenaugen. Der ergibt einen wunderbar sähmigen Bohnensud, erklärt sie mir, nimmt ein Papiertuch und wickelt mir darin eine Handvoll Taubenaugen-Bohnen ein.

Neben ihr hat João seine Samen auf einem Tisch ausgebreitet. Fein säuberlich in Tütchen abgepackt hat er sie. Sojabohnen, Erbsen, verschiedene Kürbissorten, Tomatensamen, kubanischer Salat. Auch er tauscht und verschenkt. Weiter hinten entdecke ich weißes Popkorn mit dunkelgrauen Flecken. Dieses Mal ist nix mit Tauschen. Die Ständlerin gehört zu einem Öko-Projekt, das vor einem Jahr ein "Samenhaus" eröffnet hat. Sie brauchen scheinbar Geld. Also kaufe ich seltsam farbenes Popkorn und Samen von Luffagurken.

Am Stand des Zentrums für Forschungen zum Ökolandbau sagen sie: Nimm. Also nehme ich, packe Samen verschiedener Porongo-Sorten ein. Das ist eine Art Kürbis mit harter Schale. Die Indios lassen sie samt Samen trocknen und verwenden sie dann als Musikinstrument oder auch als Gefäße. Sogar die europäische Kamille gibt es und diverse "pimentas" (Peperonis).

Irgendwann ist der Rucksack voll. Musik spielt und mein Magen knurrt. Also reihen wir uns in die endlose Schlange fürs Mittagessen ein.

"Sementes crioulas" sind Samen "alter" Gemüsesorten, die in der Regel nicht kommerziell genutzt werden. Oft werden sie einfach nur von Hand zu Hand weiter gereicht oder eben bei den Tauschbörsen der "sementes crioulas" verteilt.

Am auffälligsten ist der "milho crioula", alte, in Südamerika heimische Maissorten. Es gibt sogar Samenbanken, in denen sie eingelagert werden, um ihre Artenvielfalt zu erhalten.  Wieviele Typen von Mais es gibt? Tausende. Allein in der Samenbank "Banco Ativo de Germoplasma" (BAG) des brasilianischen Landwirtschaftsamtes Embrapa sind die Körner von etwa 4.000 verschiedenen Maissorten eingelagert.

Allerdings könnte es mit der Maisvielfalt und den Tauschbörsen bald ein Ende haben. In Brasilien gibt es einen Gesetzesvorschlag, nach dem sämtliche Samen "crioulas" Eigentum des Staates werden sollen. Befürchtet wird als Folge ein Verbot der Nachzucht oder die Forderung von Royalties. Interesse an dem außerordentlichen Samenschatz haben auch große Konzerne aus der Gen-Szene, wie Monsanto und Bayer. Die brauchen die Genvielfalt, um neuen und resistenteren Sorten zu züchten.  Bisher haben sie wegen der Biokonvention auf "Semente crioulas" aber keinen Zugriff.

In der Bevölkerung und selbst unter Landwirten wird das Vorhaben kaum diskutiert. Es ist nicht populär genug. Vielleicht spielt auch der Glauben eine Rolle, dass so etwas Ungeheuerliches nicht durchgesetzt werden kann. Im Abgeordnetenhaus und Senat hat die Agrolobby hingegen ein großes Gewicht. Um sie sich grün zu halten, hat Präsident Michel Temer bereits zu lasten der Umwelt und Natur etliche Zugeständnisse gemacht. Bleibt nur die Hoffnung, dass es irgendwann doch noch einen Aufschrei und Gegenwind geben wird.

Das mit dem Gen-Mais ist auch so ein Thema. Auf den großen Anbauflächen wird mittlerweile fast ausschließlich genmanipulierter Mais angebaut. In den Supermärkten spiegelt sich das durch das auf den Verpackungen der Lebensmittel aufgedruckte "T" (transgen) wieder. T-Produkte haben dabei längst die Überhand gewonnen. Speisestärke ohne T, gibt es nicht mehr, oder wenn, dann nur in Läden, die irgendwo fernab von unserer Region im Stadtgewirr der Metropolen versteckt sind. Aber das ist ein anderes Thema.

Wir werden jetzt auf jeden Fall erst einmal bunten "crioula" Mais anbauen, hinten im Wald, in unserem "Agrofloresta".

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